Wohliges Dunkel, Selbstabwertung und Vibratoren
Meine Themen heute für Sie: Wir kontrollieren zu viel – gerade bei existentiellen Themen | Erziehung: Angst tötet Neugier | Wie schmerzhafte Sätze uns helfen | Heilsame Schönheit: Bäume tun uns gut | Unsere schiefe Schicksals-Rechnung | Weil Ärzte ihre Patientinnen nicht mehr per Hand masturbieren wollten, wurde der Vibrator erfunden | Viel Vergnügen beim Lesen!
Dieser Newsletter ist zu 100 Prozent frei von KI. Was Sie hier lesen, ist auf meinem Mist gewachsen. Und bekanntlich wachsen auf dem Mist die schönsten Rosen.
Eine Bitte: Wenn Sie jemanden kennen, den das, was ich hier erzähle, interessiert, leiten Sie ihm diesen Newsletter weiter. Dankeschön!
Wolfgang Halder, Odysseus Kinesiologie & Coaching
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Blockade? – Welche Blockade? |
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„Was macht die Schreibblockade?“, fragte mich vor einigen Tagen ein Klient, der auch treuer Leser meines Newsletters ist. „Welche Schreibblockade?“, dachte ich und war etwas irritiert, bis ich begriff, daß er damit mein Nicht-Schreiben meinte, weil es schon ein paar Wochen keinen neuen Newsletter gab.
Was ich dagegen mache, wollte er auch wissen. Ob ich zu einem Kinesiologen-Kollegen ginge, der mir beim Lösen der Blockade helfen könnte.
An dergleichen hatte ich überhaupt nicht gedacht, denn für mich gibt es nichts, wogegen ich was machen sollte. Ich sehe keine Blockade. Eine Blockade liegt dann vor, wenn ich etwas tun möchte, es aber nicht schaffe. Also wenn ich schreiben will, es aber nicht geht. Doch ich wollte in den letzten Wochen nicht schreiben und habe deshalb nicht geschrieben. Wollen und Handeln stimmen überein, sind in Balance.
Wenn in unserem Leben etwas nicht so läuft, wie wir glauben, daß es gemäß unserer Planung laufen sollte, biegen wir sehr schnell auf die Straße des hektischen Optimierungs-Aktionismus ab – viel zu schnell, wie ich finde. „Mach was dagegen“, wird dann von uns gefordert – von anderen und, wenn’s richtig schief läuft, auch von uns selbst. Doch erst mal sollten wir genau hinhören, wer da spricht, wenn wir diese Forderung erheben.
Es gibt auch in mir die Disziplin- und Durchhalten-Stimme, die mir in den 1960er-Jahren andressiert wurde, als noch viele Lehrer unterwegs waren, die „dabei“ waren. Doch diese Stimme nehme ich nur selten ernst, denn es ist nicht meine Stimme. Sie kann manchmal sinnvoll sein, beim Bergsteigen etwa, aber auch da muß der Gipfel nicht immer sein; die Almwiese unterhalb ist manchmal viel schöner.
Ich schreibe meinen Newsletter aus reiner Freude am Denken und Schreiben und Mitteilen. Wenn diese Freude nicht da ist, dann ist das so. Dann will es gerade so sein. Im Herbst fallen die Blätter von den Bäumen. Sollte man dagegen etwas tun? Im Winter sind gar keine Blätter an den Bäumen, sollte man was machen, um diese Blätter-Blockade der Bäume zu lösen?
Wie schwer das Nichtstun uns Ablenkungs- und Reiz-Süchtigen fällt, zeigt ein Experiment, bei dem die Teilnehmer folgende Wahl hatten: Eine Viertelstunde nichts tun – oder sich selbst mit einem Gerät schmerzhafte Stromschläge verabreichen. Die meisten Test-Teilnehmer wechselten nach kurzer Zeit zu den Stromschlägen über, da sie das Nichtstun nicht aushielten.
Das, worum es geht, hat Rainer Maria Rilke am treffendsten und zugleich schönsten ausgedrückt:
„Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden, in welchen meine Sinne sich vertiefen.“
Wer sich dieses Dunkel, das immer auch still und unbewegt ist, verkrampft wegzuoptimieren versucht, wer also – in der Sprache der TCM gesprochen – die Wandlungsphase Wasser überspringt, vergewaltigt seine Natur, ja die Natur der Dinge.
Der Frühling wächst in der Stille und Tiefe des Winters, und nur da. Kreativität entspringt dem vermeintlichen Nichts-Tun, das letztlich die höchste Form des Tuns ist. Man empfängt Kreativität, wie man ein Kind empfängt – man macht sie nicht. |
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Der Vater als Angstmacher |
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Eine Baustelle in München. Die Stadt baut das Fernwärmenetz aus. Der etwa ein Meter tiefe Graben ist nur leicht abgesperrt. Ein fünf Jahre alter Junge zwängt sich durch die Absperrung und schaut in den Graben. Kaum hat er mit seinem Studium der aufregenden Örtlichkeit begonnen, erklingt die Stimme des Vaters, der herbeisprintet: „Tim, komm da sofort raus!“
Der Junge gibt die Antwort, die jeder gesunde Fünfjährige gibt: „Warum? Ich will sehen, was da ist.“ „Da wird was gebaut“, lautet die einfältige Antwort des Vaters. Der Junge – ein kluger Bursche! – ignoriert das Geschwätz des Vaters und geht näher an den Rand der Grube.
Er will verstehen, was genau da los ist, denn Kinder sind Philosophen. In der Schule wird ihnen das meist ausgetrieben. „Das Staunen veranlaßt den Menschen zum Philosophieren. Wer fragt und verwundert ist, hat das Gefühl der Unwissenheit. Um der Unwissenheit zu entkommen, begannen die Menschen zu philosophieren“, schrieb Aristoteles schon vor längerer Zeit.
Der Vater des aufgeweckten kleinen Philosophen sieht nicht aus, als sei er mit Aristoteles vertraut. Statt dessen überschüttet er seinen Sohn mit Angst-Pornografie, von der mir jeder Satz einen Stich ins Herz gibt:
„Du kannst dir die Finger einklemmen. Du kannst stolpern und in den Graben fallen. Du kannst dir böse weh tun. Deine Hose wird dreckig. Du reißt dir ein Loch in die Jacke.“
Der Höhepunkt der Suada, der mir zeigt, wer in der Familie die Hosen anhat, lautet: „Wenn Mama sieht, wie du an der Baustelle rumturnst, kriegt sie einen Anfall!“
Der Vater hätte seinem Sohn erklären können, was es mit dieser Baustelle auf sich hat. Denn es ist die Aufgabe des Vaters, ein Kind mit der Wirklichkeit außerhalb des oft überbehüteten Mutter-Reichs vertraut zu machen. Nur dann lernt ein Kind, mit Gefahren umzugehen. Vermeidung ist das Gefährliche.
Es gilt also auf einen Baum zu klettern und nicht nur davor zu stehen und auf einer Baumkletter-App herumzutippen. Mütter rufen auf dem Spielplatz: „Max, paß auf. Kletter nicht zu hoch. Und mach die Hose nicht dreckig!“. Gute Väter rufen: „Ja, Moritz, gut so – und jetzt noch einen Ast höher“.
Was mein Erlebnis auch zeigt: Der Vater hat jeden Kontakt zu dem kleinen Jungen in sich, der er mal war, verloren. Er ist abgeschnitten von seinem Wesen. Armer Kerl ... |
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Ich arbeite gern mit der Methode Emotionale Freiheits-Technik, kurz EFT. Ihr Ziel ist es, eine emotionale Blockade, die uns das Leben schwer macht und die unser Wachstum behindert, zu lösen.
Umgesetzt wird das auf verblüffend einfache Weise: Durch das Klopfen einiger Meridianpunkte in Kombination mit einem Satz, der möglichst drastisch das Leiden eines Menschen ausdrückt. Dieser Satz muß richtig weh tun, dann taugt er dazu, einen heilsamen Prozeß in Gang zu bringen. Auch beim Thema Kinderwunsch hat sich EFT bewährt, und schon öfter konnte eine Klientin damit den entscheidenden Knoten aufknüpfen. Meist fließen dabei viele Tränen. Auch das hilft.
Hier einige Sätze, die sehr wirkungsvoll waren und von denen viele zeigen, wie grausam und rücksichtslos wir oft zu uns selbst sind:
- „Ich schäme mich meiner Weiblichkeit.“
- „Aus Trotz gegen meine Mutter bekomme ich kein Kind.“
- „Ich bin traurig, daß ich nicht wichtig bin.“
- „Ich bin es nicht wert, ein Kind zu bekommen.“
- „Es kotzt mich brutal an, daß ich mich immer rechtfertige.“
- „Ich verachte mich!“
- „Ich werde von meinen Mitmenschen abgelehnt.“
- „Ich hab' es nicht verdient, glücklich zu sein.“
- „Ich bin eine Versagerin.“
- „Meine Eltern kotzen mich an!“
- „Ich bin keine Frau.“
- „Ich habe mein Kind umgebracht.“ (Nach einer Fehlgeburt)
- „Mich fucked der Egoismus meiner Mutter an.“
- „Ich bin immer der Arsch.“
- „Wenn’s mir schlecht geht, geht’s meinen Kindern gut.“
- „Es kotzt mich so richtig an, daß ich alles für meine Mutter machen muß.“
- „Ich bin nichts wert!“
- „Ich bin eine schlechte Mutter!“
- „Ich bin allen scheißegal!“
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Heilsame Schönheit: Bäume
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„Ich verstehe nicht, wie man an einem Baum vorübergehen kann und nicht beglückt sein, daß man ihn sieht?“, sagte Dostojewski. So geht’s mir auch. Deshalb zeige ich Ihnen hier besonders beglückende Bäume, an denen ich vorübergegangen bin.
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Noch sind die Kühe auf der Almweide, doch diese mächtige Esche ist Anfang September schon kahl. Kein gutes Zeichen – und doch imposant anzusehen. Im Hintergrund leuchten Zahmer und Wilder Kaiser. Am Nußlberg bei Kiefersfelden |
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„Der Mensch rechnet immer das, was ihm fehlt, dem Schicksale doppelt so hoch an als das, was er wirklich besitzt.“ Gottfried Keller im „Grünen Heinrich“ |
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Lesefrucht: Orgasmus auf Rezept |
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Wer hat den Vibrator erfunden? Findige Geschäftsleute aus dem Rotlichtmilieu? Nein, es war der Medizinbetrieb des späten 19. Jahrhunderts.
Die sogenannte Hysterie gehörte im 19. Jahrhundert zu den am häufigsten diagnostizierten Krankheiten bei Frauen. Zunächst hatten Mediziner und Kleriker die natürliche Libido der Frauen zu Krankheit und Sünde erklärt und der dadurch behaupteten Gesundheitsstörung den wissenschaftlich tönenden Namen „Hysterie“ gegeben. Dann haben die Mediziner eine Behandlung für diese von ihnen erfundene Störung entwickelt. So ein Vorgehen ist ein bis heute gängiges Verfahren, um Patienten zu erzeugen ...
Ich präsentierte Ihnen hier als Lese-Frucht Auszüge aus dem Buch „The Technology of Orgasm – ‚Hysteria’, the Vibrator, and Women’s Sexual Satisfaction“ von Rachel P. Maines:
„Die Ehe, die vom westlichen medizinischen Establishment oft als Heilmittel für Hysterie empfohlen wurde, heilte die ,Krankheit’ meist nicht, da die normale Penetration der Vagina durch den Penis bei mehr als der Hälfte der Frauen nicht zum Orgasmus führte.
So oblag den Ärzten die Aufgabe, das krankhafte Symptom namens weibliche Erregung zu lindern, also die Frauen zum Orgasmus zu masturbieren. Der weibliche Orgasmus unter klinischen Bedingungen wurde als „hysterischer Paroxysmus“ („hysterischer Anfall“) bezeichnet.
Letztlich blieb die Aufgabe, Frauen zum Orgasmus zu bringen, an den Ärzten hängen, da niemand sonst diesen Job machen wollte. Zugleich waren hysterische Frauen ein großer und lukrativer Markt für die Ärzte, denn diese Patienten genasen nicht und starben nicht, sondern benötigten regelmäßig eine Behandlung.
Im späten 19. Jahrhundert litten in den USA drei Viertel der Frauen unter ,hysterischen Beschwerden’. Damit bildete diese Patienten-Gruppe den größten Markt-Anteil für medizinische Leistungen.
Frauen zum Orgasmus zu massieren war gängige medizinische Praxis. Es gibt keine Belege dafür, daß den Ärzten die Genital-Massagen ihrer Patientinnen Vergnügen bereitete. Im Gegenteil, diese männliche Elite nutzte jede Gelegenheit, um ihre Finger durch die von Hebammen oder irgendwelche Gerätschaften zu ersetzen.
Der Vibrator wurde in den späten 1880er Jahren auf Betreiben der Ärzte entwickelt, um Hysterie-Patientinnen schneller und effizienter behandeln zu können. Dieses Verfahren zu mechanisieren, erhöhte die Zahl der Patientinnen, die ein Arzt pro Tag behandeln konnte – und damit auch sein Einkommen.
Mit dem Vibrator reduzierte sich die Zeit für eine Behandlung von bis zu einer Stunde auf zehn Minuten. Zudem verlangte die Behandlung mit dem Gerät weniger Fertigkeiten als die Handarbeit und der Vibrator ermüdete nicht.“ |
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In meinem Newsletter-Archiv Gedanken und Spitzen finden Sie die besten Beiträge vergangener Ausgaben.
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