Kindersegen, ehrliches Mitteilen und Geduld
Meine Themen heute für Sie: Wie im Märchen: Sieben Kinder wagen sich bald ans Licht | Ehrliches Mitteilen hält uns gesund | Heilsame Schönheit: Bäume tun uns gut | Gute Menschen sind oft besonders grausam | Was ist wichtiger als Resilienz, mit der gerade jeder hausieren geht? Geduld! | Viel Vergnügen beim Lesen!
Dieser Newsletter ist zu 100 Prozent frei von KI. Was Sie hier lesen, ist auf meinem Mist gewachsen. Und bekanntlich wachsen auf dem Mist die schönsten Rosen.
Eine Bitte: Wenn Sie jemanden kennen, den das, was ich hier erzähle, interessiert, leiten Sie ihm diesen Newsletter weiter. Dankeschön!
Wolfgang Halder, Odysseus Kinesiologie & Coaching
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Kindersegen, wundervoller Kindersegen |
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Es ist gerade mal Mai, und doch könnte ich schon das Weihnachtslied „Ihr Kinderlein, kommet“ anstimmen, denn ab Mai kommt ein Kind nach dem anderen.
Nicht meine Kinder, sondern die meiner Kinderwunsch-Klientinnen. Sieben Geburten stehen von Mai bis Dezember an. Und ich freu mich jedesmal fast so viel, als wär’s mein eigenes Kind.
Denn ich weiß um die oft jahrelangen Mühen und Plagen, die diese Mütter – sie sind ab der Empfängnis Mutter, nicht erst mit der Geburt! –, durchgemacht haben. Ich bin mit ihnen durch Zeiten der tiefsten Verzweiflung gegangen, hab’ sie begleitet, wenn nichts, aber auch gar nichts danach aussah, als ob’s was werden könnte mit der Schwangerschaft.
Hier ein Dialog, der ein emotionales Extrem einer mühsamen Reise zum Kind erfaßt: Klientin: „Ich hab’ die Schnauze voll. Ich mag nicht mehr!“ Ich: „Schnauze voll vom Kinderwunsch?“ Klientin: „Nein. Von allem!“
In dieser Erntezeit denke ich an die ersten Sitzungen mit den Klientinnen und die Frage, die mir jede zu Beginn unseres gemeinsamen Weges stellt: „Wie lange wird es dauern? Wieviele Sitzungen sind nötig?“
Darauf antworte ich: „Wenn ich das wüßte! Könnte ich Ihnen darauf eine Antwort geben, dann würde ich Fernseh-Werbung schalten und Plakatwände in der U-Bahn mit meinem Praxis-Logo tapezieren. Allein, ich weiß es nicht. Manchmal reicht eine Sitzung – ja, das gab es schon! –, manchmal sind es vier, manchmal auch fünfzehn oder mehr.“
Was ich weiß, ist folgendes: Es braucht Mut und Geduld.
Zur Geduld empfehle ich Ihnen das Rilke-Gedicht am Ende dieses Newsletters. Da steht alles, was man wissen und spüren muß – gerade, wenn vermeintlich die Uhr tickt und die Frauen die Frage quält, ob es zu spät ist, sie zu alt sind und dergleichen mehr.
Und Mut braucht es eine große Portion. Eine sehr Große. Denn Kinder entstehen nur zu einem kleinen Teil in der Gebärmutter. Sie entstehen vor allem im Herzen, sprich in Seelen- und Emotionsräumen.
Dort spukt allerhand herum: die Herkunftsfamilie, der erste Freund, die Schwiegerfamilie, die Ex des Partners und Kinder aus seiner früheren Beziehung, Mißbrauchs-Erfahrungen, Berufs-Ehrgeiz, Selbstwert-Themen jeglicher Färbung usw. usf.
All diese Themen heulen und rütteln in den Keller-Verliesen, in welche die Frauen sie weggesperrt haben. Doch daß diese Gespenster nicht sichtbar sind, heißt nicht, daß sie weg sind.
Allein da hinzuschauen tut weh. Zu all dem ja zu sagen und es als Teil von sich anzunehmen und dadurch zu lösen, nicht zu bekämpfen, tut zunächst noch mehr weh. Bis auf einmal – O Wunder! – der Schmerz weg ist.
Und dann ist oft – ich wünschte so sehr, ich könnte schreiben „immer“! – der Weg frei für das ersehnte Kind. Wiewohl sich an Gebärmutterschleimhaut, Spermien, Hormonspiegel und anderen organischen Beschaffenheiten ihn vielen Fällen nichts geändert hat.
Dann sind die Kinder da. Und so sehr ich mich freue, bin ich doch traurig. Denn nun muß ich mich verabschieden von den Klientinnen, die mir ans Herz gewachsen sind.
Manchmal besucht mich eine junge Mutter mit ihrem Säugling, weil sie in der Nähe ist oder zur Entstörung ihrer Kaiserschnittnarbe kommt. Oder mir flattert die Einladung zum ersten Kindergeburtstag ins Haus. Dann ist für mich Ostern und Weihnachten zusammen. |
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Verschweigen ist die Hölle, mitteilen der Himmel |
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Sich ehrlich einem anderen Menschen mitzuteilen, gehört zu den größten Wohltaten, die wir uns „antun“ können. Ein Beispiel aus einer jungen Partner-Beziehung: „Ich habe Angst, dich mit meinen Problemen zu belasten, weil du mich dann vielleicht wieder verläßt!“ Kaum ausgesprochen, ist der Schmerz, den der stumme Gedanke einem bisher bereitet hat, einfach weg und wir können wieder frei atmen.
So etwas zu sagen, ist wohltuend und einfach. Unglaublich einfach. Wenn, ja wenn es denn einfach wäre. Daß dem nicht so ist, liegt an – Sie ahnen es – unseren Kindheits-Erfahrungen, als wir uns ganz unbefangen und treuherzig mitteilten und damit emotionale Katastrophen auslösten.
Als Kind ziehen wir daraus den ebenso notwendigen (in der damaligen Kind-Situation) wie verhängnisvollen (für unser weiteres Leben) Schluß, lieber zu leiden und uns auf die Zunge zu beißen statt uns mitzuteilen.
Die große amerikanische Psychotherapeutin Virginia Satir (1916-1988) hat solch eine Kinder-Erfahrung beispielhaft beschrieben. Hier eine typische Familien-Szene, die so viel Unheil anrichten kann:
Ein Kind, eine Mutter und ein Vater. Das Kind nimmt auf dem Gesicht der Mutter einen unglücklichen Ausdruck wahr und sagt: „Mama, was ist los mit dir? Du siehst so traurig aus.“
Die Mutter antwortet mit angespannter Stimme: „Es ist nichts. Mir geht’s gut.
Darauf der Vater verärgert zum Kind: „Reg Dein Mutter nicht auf!“
Das Kind blickt vollkommen verwirrt zwischen Mutter und Vater hin und her und versteht den Tadel des Vaters überhaupt nicht. Dann beginnt es zu weinen.
Die Mutter herrscht nun den Vater an: „Sieh nur, was Du angerichtet hast!“
Was ist geschehen? Das Kind hat richtig wahrgenommen, daß seine Mutter etwas belastet und verhält sich angemessen mitfühlend. Die Mutter wertet mit ihrer Reaktion die richtige Wahrnehmung der Wirklichkeit durch das Kind ab. Wahrscheinlich, um das Kind zu schützen, weil sie nicht weiß, ob und wie das Kind mit der Traurigkeit der Mutter zu Rande kommt.
Hätte die Mutter gesagt: „Ja, ich bin gerade traurig. Danke, daß Du das bemerkst“, dann hätte sie die Wahrnehmung des Kindes gestärkt. Hätte die Mutter ihre Traurigkeit einfach und offen mitgeteilt, hätte sie das Mitgefühl des Kindes wertgeschätzt und ihm eine wertvolle und gesunde Einstellung zu emotionalen Schmerzen vorgelebt.
Der Tadel des Vaters verschlimmert das Ganze. „Wenn Mama nicht traurig ist“, denkt das Kind, „wie kann die Frage sie dann aufregen? Und warum sollte man sich über Traurigsein überhaupt aufregen?!“
Eine unscheinbare Familien-Szene mit riesiger Wirkung für das ganze Leben des Kindes, weil es dessen Fähigkeit, sich ehrlich mitzuteilen, verkrüppelt.
Auch ich muß mich immer wieder daran erinnern, wie wichtig und wohltuend das ehrliche Mitteilen ist und mich dazu anhalten, es selbst zu tun und es bei mir nahestehenden Menschen zuzulassen. |
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Heilsame Schönheit: Bäume |
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„Ich verstehe nicht, wie man an einem Baum vorübergehen kann und nicht beglückt sein, daß man ihn sieht?“, sagte Dostojewski. So geht’s mir auch. Deshalb zeige ich Ihnen hier besonders beglückende Bäume, an denen ich vorübergegangen bin.
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Mit vier Sternen schmückt sich das häßliche Hotel, das dieser Kirschbaum gnädig verdeckt. Er verdient so viel Sterne wie er Blüten an seinen Zweigen trägt. Die besten Zimmer im Hotel sind jene mit Blick auf die Kirsche – falls die Hotelgäste es schaffen, ihre Augen vom Smartphone zu heben und das pralle Leben vor dem Fenster wahrzunehmen. Im Kurpark in Hall in Tirol |
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„Das meiste Leid in der Welt wird von guten Menschen verursacht. Nicht durch Zufall, Versehen oder Versäumnis – es ist die Folge ihrer vorsätzlichen Handlungen, die in hohen Idealen gründen und tugendhaften Zielen dienen. Wenn Millionen abgeschlachtet werden, wenn gefoltert wird, wenn Unterdrückung die gängige Politik ist, dann geschieht das auf das Geheiß sehr vieler guter Menschen und gerade durch Handlungen, mit denen diese hehre Ziele zu erreichen glauben.“ Isabel Paterson (kanadische Schriftstellerin und libertäre Philosophin, 1886-1961) |
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Lesefrucht: Fragen leben statt Antworten suchen |
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Geduld ist ein wundervolles Gegengift gegen den Effizienz-getriebenen Selbst-Optimierungswahn unserer Zeit. Die klügsten Worte zur Geduld stammen folglich nicht von einem Coach oder Trainer oder Psychologen oder gar von Chat GPT – sie stammen von einem Dichter: Rainer Maria Rilke.
Dichter wissen, wovon sie reden. Das ist selten heutzutage. Oder, um mit einem anderen Dichter, meinem schwäbischen Landsmann Friedrich Hölderlin, zu sprechen: „Was bleibet aber, stiften die Dichter“. So ist es.
Ganz nebenbei formuliert Rilke mit seinen Versen die Essenz jeder Art von Seelenheilung (Psycho-Therapie), ganz gleich welcher Schule und Ausrichtung. „Man muß Geduld haben mit dem Ungelösten im Herzen“. Kann man den Weg des Heilwerdens und des persönlichen Wachstums besser in Worte fassen?
Vorhang auf für Rilkes Gedicht „Über die Geduld“ (1903):
Man muss den Dingen die eigene, stille ungestörte Entwicklung lassen, die tief von innen kommt, und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann; alles ist austragen – und dann gebären … Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht, ohne Angst, daß dahinter kein Sommer kommen könnte. Er kommt doch!
Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge, so sorglos, still und weit …
Man muß Geduld haben Mit dem Ungelösten im Herzen, und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben, wie verschlossene Stuben, und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein. |
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In meinem Newsletter-Archiv Gedanken und Spitzen finden Sie die besten Beiträge vergangener Ausgaben.
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