Die Schule meines Sohnes veranstaltete kürzlich einen Informationsabend zum Thema Künstliche Intelligenz in der Schule. Der Original-Titel lautete: „Nutzung von Generativer Künstlicher Intelligenz im schulischen Alltag“. An diesem hinkenden Behörden-Deutsch erkennt man, daß KI bei der Formulierung des Textes beteiligt war und kein die deutsche Sprache liebender Mensch gegengelesen hat.
Anmerkung am Rande: Meine obige Formulierung „kein die deutsche Sprache liebender Mensch“ wird vom KI-Programm Chat GPT als „stilistisch holprig“ kritisiert. Besser sei: „kein sprachbewußter Mensch“. Woran man die Dummheit der Künstlichen Intelligenz erkennt, denn sich etwas bewußt zu sein ist ganz etwas anderes, als etwas zu lieben.
Zurück zum Thema: Der referierende Experte war früher Journalist und arbeitete unter anderem bei der „Süddeutschen Zeitung“ und der Deutschen Presseagentur. Nun betreibt er eine Kommunikationsagentur mit Schwerpunkt KI.
Er pries in seinem Vortrag einen KI-Schreibassistenten namens „DeepL Write“. Der könne Stil, Rechtschreibung und Grammatik von Texten verbessern.
Da wurde ich hellhörig, denn seit meiner Studienzeit folge ich Nietzsches Diktum: „Den Stil verbessern – das heißt den Gedanken verbessern“. Denken und Formulieren bedingen und befruchten einander. Wer wirr formuliert, der denkt auch wirr.
Die Anbieter von „DeepL“ loben das Programm als „KI-Schreibassistent für eine souveräne Ausdrucksweise“, mit dessen Hilfe man „flüssige, professionelle und natürliche Formulierungen“ erhalte. – Nichts davon stimmt. Hier drei Beispiele dafür, wie „DeepL“ Texte verhunzt, weil es sie nicht versteht:
Beispiel 1: Neues Testament: „Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.“ DeepL-Verschlimmerung: „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden Besitzer des Erdbodens sein.“ Hier „denkt“ die Maschine dumpf wie ein Immobilienmakler und vernichtet das „Reichs“-Bild, so daß die Einbildungskraft des Lesers nicht angeregt wird.
Beispiel 2: Goethe: „Am 28. August 1749, mittags mit dem Glockenschlage zwölf, kam ich in Frankfurt am Main auf die Welt.“ DeepL-Verschlimmerung: „Am 28. August 1749 um zwölf Uhr mittags wurde ich in Frankfurt am Main geboren.“ Hier eliminiert die Maschine das Sinnliche und die Poesie (der Glockenschlag!) und konstatiert nur noch bürokratisch einen Sachverhalt. Zudem ist die kreative Spannung von „Ich“ und „Welt“ ausgelöscht – das Lebensthema Goethes, das er ganz bewußt an den Anfang seiner Autobiografie setzte.
Beispiel 3: Ich (ein Text aus einem alten Newsletter): „Der Frühling ist die hohe Zeit der Aggression: Die Bäume schlagen aus, die Säfte schießen ein, die jungen Triebe durchstoßen die Erde.“ DeepL-Verschlimmerung: „Der Frühling ist die Zeit der Aggression: Die Bäume treiben aus, die Säfte sprudeln, die jungen Triebe durchbrechen die Erde.“ „DeepL“ hat das getilgt, worum es geht: Aggression. Statt „schlagen“ „treiben“, statt „schießen“ „sprudeln“. Der Sinn des Textes ist zerstört!
„DeepL“ banalisiert Texte, ebnet sie ein, bläht sie mit Phrasen auf, tötet Atem, Rhythmus und Fluß und massakriert jede Geschmeidigkeit und Melodie Mit anderen Worten: Es schreibt so wie 97 Prozent der deutschen Journalisten. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich habe 25 Jahre lang als Redakteur gearbeitet und kenne die Texte der Lohnschreiber in der Rohfassung. Da mußte ich viel Stroh zu Gold spinnen ...
Warum produziert „DeepL“ miserable Texte? Der Grund ist prinzipieller Natur: Künstliche Intelligenz ist nicht künstlich, denn die Daten (Texte), mit denen sie arbeitet, stammen von Menschen, enthalten also all deren Verzerrungen und Dummheiten. Und die Künstliche Intelligenz ist nicht intelligent, weil sie die Daten stumpf und mechanisch mit den Methoden der Statistik aufbereitet.
Kurzum: Künstliche Intelligenz denkt nicht, kann nicht denken.
„DeepL“ arbeitet mit dem angehäuften schlechten Deutsch von Journalisten und Bürokraten, mit dem es gefüttert wurde. Also: Garbage in – garbage out.
Am Ende des Vortrags zur KI in der Schule gab es die erfreulichste Folie des Abends. Darauf stand zu lesen: „Es wird eine Renaissance des von Menschen gemachten Contents geben. Qualität wird zum Unterscheidungsmerkmal.“ (Der Begriff „Content“ ist typisches Journalisten/Marketing-Dummdeutsch, wie es KI-Programme ständig ausspucken.)
Man könnte auch sagen: Für den Pöbel reichen die von der KI zusammengeschusterten Inhalte, die „Elite“ leistet sich von Menschen erstellte Inhalte – für die einen Adiletten, für die anderen rahmengenähte Maßschuhe.
Dazu paßt, daß viele Menschen die KI-Sprach-Verkrüppelungen nicht bemerken, weil sie das Niveau der ARDZDFSPIEGELZEITFAZ-Sprache gewöhnt sind. Wer nur Ketchup ißt, glaubt wirklich, so schmecke eine Tomate ...
Vor zwei Jahren hab' ich mich zum ersten Mal mit Texten befaßt, die von KI-Programmen erstellt wurden. Die von den KI-Jüngern behaupteten Verbesserungen kann ich nicht erkennen. Mein Fazit fällt deshalb genauso aus wie vor zwei Jahren, und ich formuliere es wieder mit dem Zitat des österreichischen Dramatikers Johann Nestroy: „Überhaupt hat der Fortschritt das an sich, daß er viel größer ausschaut, als er wirklich ist“.
Meine Botschaft an Sie, liebe Leser: Ihren eigenen Sprach-Stil zu verbessern ist Teil Ihres persönlichen Wachstums, denn Sie verbessern dadurch Ihr Denken. Dafür brauchen Sie keine KI. Im Gegenteil! |