Schuld, Anderssein und Swinger
Meine Themen heute für Sie: Manchmal ist die Absage eines Termins ein Grund zum Feiern | Andere sind anders – na sowas?! | Wenn ein Coach erziehen will, wird's gefährlich | Heilsame Schönheit: Bäume tun uns gut | Kinesiologie schafft Zugang zu Informationen jenseits des Bewußtseins | Wer hat den Swingerclub erfunden? Viel Vergnügen beim Lesen.
Dieser Newsletter ist zu 100 Prozent frei von KI. Was Sie hier lesen, ist auf meinem Mist gewachsen. Und bekanntlich wachsen auf dem Mist die schönsten Rosen.
Eine Bitte: Wenn Sie jemand kennen, den das, was ich hier erzähle, interessiert, leiten Sie ihm diesen Newsletter weiter. Dankeschön.
Wolfgang Halder, Odysseus Kinesiologie & Coaching
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Eine Absage, die mir Freude macht |
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Die Oktoberfestzeit ist in München eine Termin-Absage-Zeit, und es ist normal, daß halb München krank geschrieben ist. Warum? Wegen der „Wiesn-Grippe“. Die holt man sich, wenn man, nachdem man im vollen wamen Bierzelt gefeiert hat, beim anschließenden Heimweg alkoholisiert und leicht bedirndelt oder belederhost durch die kalte Herbstnacht heimwärts wankt.
Auch wer selbst nicht aufs Oktoberfest geht, entkommt der Wiesn-Grippe nicht, denn Freunde, Bekannte oder Kollegen verbreiten sie zielsicher in ihrem Umfeld. Also ist es während der Wiesn-Zeit üblich, daß Praxis-Termine kurzfristig abgesagt werden – das weiß ich auch von Kollegen. So ist's eben in München im Oktober.
Und dann gibt noch eine ganze Art der Termin-Absage, eine, die ich liebe und bei der mein Herz einen Freudensprung macht. Sie lautet so: „Ich muss unseren Termin leider absagen. Ich bin schwanger und habe mit starker Übelkeit zu kämpfen. Ich fühle mich aktuell nicht in der Lage, zu Ihnen in die Praxis zu kommen“.
Bei so einer E-Mail stell ich im Geist schon den Champagner kühl, denn wenn eine Kinderwunsch-Klientin das schreibt, ist es Zeit zum Feiern. In meiner auf einem echten Fall basierenden Geschichte „Eine Reise zum Kind“ habe ich diesen besonders erfreulichen Grund für eine Termin-Absage in der Folge „Mir ist so übel. Glückwunsch!“ beschrieben. |
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Ich hab’ mal wieder gelauscht. Im Café. Zwei ältere Damen am Nebentisch. Sie nahmen eine gemeinsame Freundin und deren Lebenswandel auseinander. Da blieb kein Stein auf dem anderen, nichts fand Gnade, es war ein Gerichtstag ohne Bewährungsstrafen.
Doch – und deshalb erzähl ich das hier – in regelmäßigen Abständen streuten die beiden wie in einem Strophenlied einen Refrain ein: „Jeder ist halt anders. Es ist ja ihr Leben. Man steckt ja nicht drin in einem anderen Menschen. Sie muß wissen, was sie tut.“
Mal sagte das die eine Dame, und die andere stimmte eifrig zu, mal war's andersherum. Und ohne die kleinste Unterbrechung ging es direkt danach weiter mit dem Be- und Verurteilen all der verwerflichen Handlungen und Meinungen der abwesenden Freundin.
Andere Menschen sind anders als wir selbst. Das erstaunt uns immer wieder. Es gibt einen Teil in uns, der das weiß und akzeptiert. Doch der tonangebende Teil in uns, der, der unser Alltagsbewußtsein regiert und den wir für „normal“ halten, will davon nichts wissen. Er ist ein Meister im Verurteilen anderer allein aufgrund ihres Andersseins.
Dabei ist es unser tiefstes Bedürfnis, in unserem je eigenen Anderssein von anderen akzeptiert zu werden. Einen anderen Menschen so anzunehmen, wie er ist, ist die Essenz der Liebe. |
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„Ich will, daß die sich schuldig fühlen!“ |
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In einer Coaching-Weiterbildung erzählt der Leiter – einer der renommiertesten Coaches des Landes – den Teilnehmern, worauf es in einem Coaching ankomme und welche Haltung sie den Klienten gegenüber haben sollten.
Als da wäre: Sie sollen den Menschen, die hilfesuchend zu ihnen kommen, neugierig, achtungsvoll, tolerant und mitfühlend begegnen. Es gehe darum, den Lebenskontext eines Menschen und seine Weltsicht zu verstehen, auch wenn diese einem selbst vollkommen abstrus vorkomme. In Summe heißt das: empathisch sein.
Und egal, mit welchem Thema ein Klient komme, ein Coach dürfe dem Klienten keine Schuldgefühle machen, sondern solle ihn in seinem derzeitigen Sosein stärken, damit er sich selbst annehmen könne, was die Voraussetzung für jede Veränderung sei.
So weit, so normal. Das hört man in jedem einigermaßen professionellen Coaching-Kurs. Letzlich sind es die drei Grundhaltungen, die der große amerikanische Psychologe und Psychotherapeut Carl Rogers (1902-1987) schon in den 1950er-Jahren als Leitlinien für einen Therapeuten formuliert hat: Echtheit, Empathie und unbedingte Wertschätzung. Rogers’ personzentrierte humanistische Psychologie ist die psychologische Basis der Integrativen Kinesiologie, die ich praktiziere.
In besagter Coaching-Weiterbildung meldete sich nach den Darlegungen des Leiters ein Mann Anfang Fünfzig, dem diese tolerante Haltung gar nicht behagte, zu Wort. Mit scharfer Stimme schwadronierte er über den Klimawandel und wie schlimm der sei und daß man bei dessen Bekämpfung mit Toleranz und Empathie nicht weiterkomme.
Er forderte: „Ich will, daß die Menschen sich schuldig fühlen für das, was sie der Erde antun!“
Dieser Coach will die Menschen erziehen, ja umerziehen. Mit so einem Menschenbild sollte er in einer Behörde, einem Ministerium oder in den Hauptstrom-Medien arbeiten, wo man fest davon überzeugt ist, daß man den Menschen vorschreiben müsse, was sie denken und tun dürfen.
Die Mitarbeiter dieser Einrichtungen finden ihr Vergnügen darin, Menschen als Objekte ihrer Belehrungen zu behandeln. Das ist das Gegenteil von Coaching! Denn da geht es um Wachstum, das Wachstum von Subjekten, von Personen. Und Wachstum braucht Freiheit. Schuld und Wachstum schließen einander aus. |
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Heilsame Schönheit: Bäume |
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„Ich verstehe nicht, wie man an einem Baum vorübergehen kann und nicht beglückt sein, daß man ihn sieht?“, sagte Dostojewski. So geht’s mir auch. Deshalb zeige ich Ihnen hier besonders beglückende Bäume, an denen ich vorübergegangen bin.
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In der Regel begegne ich bürgerlichen oder bäuerlichen Bäumen. Diese Weihrauchzeder ist ein adeliger Baum. Sie wächst im Park des Schlosses von Napoleon Bonaparte III. Der ließ den Schloßpark von Fürst Pückler gestalten. Die Zeder strotzt vor Würde, Kraft und Selbstachtung. Das überträgt sich auf den Betrachter. Man richtet sich unwillkürlich auf und atmet freier, wenn man vor diesen edlen Baum tritt. Arenenberg, Schweizer Bodenseeufer |
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K.k.K. – Kommentare kluger Kinesiologen |
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„Ein großer Vorteil der Kinesiologie ist, daß sie Zugang zu Informationen jenseits des Bewußtseins schafft und deshalb auf einen Klienten entwaffnend wirken kann. In gesprächsorientierten Therapien kann ein Klient bestimmte Informationen für sich behalten, wenn sie ihm peinlich sind oder er seinem Therapeuten nicht völlig vertraut.
Wenn ich dagegen einen Klienten Aussagen machen lasse und über den Muskeltest herausfinde, welche Aussage Streß auslöst, kann ich sehr schnell dahinterkommen, woran ich in erster Linie zu arbeiten habe.
Sobald der Klient das begreift und erkennt, daß ich tatsächlich in der Lage bin, an die Informationen heranzukommen, kommt er aus der Deckung und fängt an, mir Dinge zu erzählen, die wichtig sind, die er mir aber vermutlich sonst nicht erzählt hätte. Auf diese Weise sind deutlichere und schnellere Fortschritte möglich.“ Wayne Topping |
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Lesefrucht: Als die US Air Force den Swingerclub erfand |
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Ich blättere immer wieder gern in dem Buch „Zehntausend Jahre Sex“, das in kurzen Kapiteln ein Panorama des menschlichen Einfallsreichtums in Sachen Sex ausbereitet. Denn unser Sexualleben ist ein besonders fruchtbares Feld für persönliches Wachstum.
Die Geschichten aus zehntausend Jahren rücken auch die Perspektiven zurecht, denn wir Heutigen glauben gern, unsere Zeit sei der Höhepunkt an sexueller Vielfalt und Erfindungskunst – doch weit gefehlt: gegen Etrusker, die alten Griechen oder mittelalterliche Mönche sind wir brave Sontagsschüler.
Heute hier für Sie die Geschichte der Erfindung des Swingerclubs durch die US Air Force im Zweiten Weltkrieg:
„Eine Wohnzimmer-Party in der 1940er-Jahren. Immer wieder blickten die Gäste auf einen Hut, der auf dem Couchtisch lag. Dann endlich trat eine Frau an den Tisch. Ohne hinzusehen griff sie in den Hut, fischte einen Schlüssel heraus und zeigte ihn in die Runde. Ein Mann meldete sich, denn er hatte seinen Wohnungsschlüssel erkannt. Die beiden verließen das Fest.
Eine Paar nach dem anderen zog nun los. Das Schlüsselroulette wies ihnen einen Partner zu, einen Lover für eine Nacht.
Die Geschichte spielt nicht im Hippie-Kalifornien oder im liberal-intellektuellen Paris der 1970er-Jahre, sondern auf einem Stützpunkt amerikanischer Air-Force-Piloten 1941. Der Swingerclub ist eine Erfindung des Militärs.
Zwar bekannte sich kein Pilot offen zum Swinger-Lifestyle, weil dies vermutlich zu disziplinarischen Maßnahmen geführt hätte. Im vertraulichen Gespräch mit Wissenschaftlern erzählten die Offiziere jedoch von den sogenannten Key-Club-Parties, auf denen die Sozialstruktur der Kaserne für eine Nacht durcheinandergewürfelt wurde.
Nach dem Krieg erstellte ein Air-Force-Veteran eine Liste mit Namen von Swingern, die er in verschiedenen Städten getroffen hatte. Diese Liste war so etwas wie die erste Swinger-Community. Später kamen Magazine voller Annoncen dazu.
Im Zweiten Weltkrieg war die US Air Force eine Elitetruppe. Es verwundert im ersten Moment, daß ausgerechnet die Piloten und Alphatiere, die als Sexsymbole ihrer Zeit galten – stark, männlich, verwegen –, ihre Frauen nicht eifersüchtig bewachten, sondern Partnertausch-Parties veranstalteten.
Lag es daran, daß sich die Piloten als verschworene Gemeinschaft verstanden? Auch der Arbeitsplatz könnte eine Rolle gespielt haben. Die US Air Force war im Zweiten Weltkrieg auch im Pazifik aktiv, weshalb die Soldaten mit Kulturen in Kontakt kamen, in denen eine liberalere Sexualmoral herrschte.
Und dann war da noch die Angst vor dem Tod. Nur zwei Drittel aller amerikanischen Kampfflieger überlebten den Zweiten Weltkrieg. In keiner anderen Einheit der amerikanischen Streitkräfte waren die Verluste auch nur annähernd so hoch. Die Piloten wollten ihre Lebenszeit möglichst gut nutzen.
Und vielleicht ist es einfach so: Warum sollte sich jemand, der in einer Maschine mit 700 km/h in 12.000 Meter Höhe durch die Luft rast, an Konventionen, Gesetze und Beschränkungen der Erdenbewohner halten?“ |
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In meinem Newsletter-Archiv Gedanken und Spitzen finden Sie die besten Beiträge vergangener Ausgaben.
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