In der Erstsitzung mit neuen Klienten mache ich immer den Birkenbihl-Test. Den hat die Manager-Trainerin und Autorin Vera Birkenbihl (1946-2011) entwickelt und mit Tausenden Menschen durchgeführt. Daraus ist ein Psychogramm der Deutschen entstanden, das erschreckend ist. Warum, dazu gleich mehr, zunächst zum Test.
Er ist kurz und einfach und sehr erhellend – für mich und für die Klienten. So geht er: Ich sage dem Klienten den Satz „Die Welt ist voller ...“ – und der Klient ergänzt diesen Satz laut mit dem Begriff, der ihm zuerst einfällt.
Er darf also nicht nachdenken, um etwas möglichst Intelligentes zu sagen oder um sich selbst zu zensieren, weil er glaubt, daß das, was ihm zuerst eingefallen ist, peinlich sei. Der Begriff, der zuerst ums Eck kommt, den brauchen wir.
Immer wieder erlebe ich, daß Klienten erstaunt sind über das, was sie sagen. Ein Beispiel: „Hab’ ich gerade ‚Blumen’ gesagt!? Mir geht’s so beschissen – und ich sage ‚Blumen‘? Das kann doch nicht sein?“ Ich freu mich immer über diesen mit Selbsterkenntnis verbundenen Überraschungs-Effekt.
Die „Blumen“-Antwort wurzelt tiefer im Wesen der Person als die aktuelle Situation. Das ist eine der Ressourcen, die jeder Therapeut und Coach beim Klienten anzapfen möchte. Mit dem Birkenbihl-Test braucht es nur ein paar Sekunden – und vor allem: Der Klient fördert diese Ressource selbst ans Licht! Es ist seine Ressource – er hat nur vergessen, daß er sie hat.
Vera Birkenbihl hat diesen Test viele Jahre mit den Teilnehmern ihrer Kurse gemacht, und ihre Auswertung ergab folgendes Ergebnis: Rund 70 Prozent ergänzen „Die Welt ist voller ...“ mit „Idioten“, „Deppen“, „Arschlöcher“. Etwa 20 Prozent sagen: „Probleme“, „Schwierigkeiten“, „Herausforderungen“.
Bleiben magere 10 Prozent, die die Welt anders sehen und mit „Licht“, „Freude“ oder „Liebe“ antworten. Es macht einen großen Unterschied, zu welcher Gruppe man gehört.
Wenn ich mit „Die Welt ist voller Idioten“ morgens in den Tag starte, werde ich ständig Bestätigungen für meine Weltsicht finden: der Nachbar im Treppenhaus – ein Idiot; der Autofahrer, der mir die Vorfahrt nimmt – ein Idiot. Der Kollege, der mal wieder streng riecht – ein Idiot; der Chef – ein Idiot, was sonst; die Kunden – sowieso lauter Idioten.
So geht das den ganzen Tag, wenn man die Welt durch den Idioten-Filter anschaut. Halte ich mir eine rote Glasscheibe vor die Augen, sieht eben alles rot aus ...
Die meisten meiner Klienten ergänzen „Die Welt ist voller ...“ mit Lebens-Wahrnehmungen wie diesen:
- „Begeisterung“,
- „Kinder“,
- „Licht“,
- „Freude“,
- „Vögel“,
- „Möglichkeiten“,
- „Blumen“.
Und am häufigsten sagen Sie „Wunder“.
Dann denke ich jedesmal an meine Kinesiologie-Lehrerin Rosmarie Sonderegger, die immer sagte: „Jeder hat die Klienten, die er verdient“. Da kann ich mich glücklich schätzen! |