Seitenblick - Der Newsletter von Odysseus Kinesiologie & Coaching

Unsere Kinder, unser Ego und unser Wald

Meine Themen heute für Sie: Was treibt uns um um Mitternacht? | Kinder leben in einer anderen Welt als Erwachsene | Der Super-Coach und das Ego | Heilsame Schönheit: Bäume tun uns gut | Kinesiologie fördert das Wohlbefinden | Weiße Männer im Wald. Viel Vergnügen beim Lesen.

Dieser Newsletter ist zu 100 % frei von KI. Was Sie hier lesen, ist auf meinem Mist gewachsen. Und bekanntlich wachsen auf dem Mist die schönsten Rosen.

Eine Bitte: Wenn Sie jemand kennen, den das, was ich hier erzähle, interessiert, leiten Sie ihm diesen Newsletter weiter. Dankeschön.

Wolfgang Halder, Odysseus Kinesiologie & Coaching

Der verschollene Klient

Etwa einmal pro Woche erlebe ich folgende Geschichte: Eine Termin-Anfrage per E-Mail, der Ton ist eine Mischung aus Not und Ungeduld, etwa derart: „Mich plagt ganz heftig Thema X, und ich hätte gern so bald wie möglich einen Termin bei Ihnen“.

Ich beantworte in der Regel Klienten-Mails am selben Tag. Also mache ich ein paar Terminvorschläge – und höre dann: NICHTS. Ich warte zwei Tage und schreibe nochmals. Wieder keine Reaktion.

Ist eine Telefonnummer bei der Anfrage dabei, rufe ich an. Niemand meldet sich, eine Mailbox läuft nicht. Ich rufe vormittags an, ich rufe nachmittags an, ich rufe abends an. Immer vergeblich. Nach zwei Tagen Bemühungen laß ich’s dann.

Zunächst hab’ ich mich geärgert über solche Anfragen, die meine Zeit und Aufmerksamkeit verbrauchen. Dann hab’ ich mich gewundert (Was geht in den solchen Leuten vor sich!?). Dann hab’ ich philosophisch weise in meinen Bart gebrummt: „So ist er halt, der Mensch. Ein ewiges Rätsel“ ...

Bis mir eines Tages etwas auffiel: Solche Anfragen kamen fast immer in der Zeit um Mitternacht: 23.37, 23.58 oder 0.25 Uhr.

Bei Mitternacht kommt mir zweierlei in den Sinn: Erstens das Trunkene Lied aus Nietzsches „Zarathustra“ (von Mahler in seiner 3. Sinfonie erschütternd in Musik gesetzt): 

„Oh Mensch! Gib Acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
Ich schlief, ich schlief —,
Aus tiefem Traum bin ich erwacht: —
Die Welt ist tief,
Und tiefer als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh.“

Ja, tief ist das Weh der Menschen, die es um Mitternacht dazu drängt, E-Mails zu schreiben.

Und zweitens denke ich bei Mitternacht an die Meridian-Uhr aus der TCM: Die Zeit von 23 bis 1 Uhr ist die Hochphase der Gallenblase. Sie ist zuständig fürs Entscheidungen fällen und Prioritäten setzen. Sind wir in der Gallenblase energetisch blockiert, schaffen wir das nicht; zudem nagt die Langeweile an uns.

Seit mit das klar wurde, hab’ ich folgendes Szenario vor Augen, wenn mich so eine Anfrage erreicht: 

Da kommt ein Mensch nicht zur Ruhe, findet keinen Schlaf, denn es quält ihn etwas. Er spürt, daß er etwas tun müßte, um sein Leben zu verbessern. Doch er ist ratlos. Also googelt er zu nachtschlafener Zeit in der Gegend herum und schreibt verschiedene Menschen an, von denen er glaubt, sie könnten ihm helfen.

Das gibt ihm zumindest kurz das Gefühl, etwas entschieden und auf den Weg gebracht zu haben, wiewohl das eine Illusion ist. Die versendeten Mailanfragen sind diesem Menschen bei Tageslicht peinlich, und er schämt sich ihrer, sind sie ja Zeichen seiner Verzweiflung und Bedürftigkeit. Also ignoriert er die Antworten, die er darauf bekommt.

Ja, so ist der Mensch – wenn er energetisch blockiert ist. In der Regel genügt eine kinesiologische Sitzung, um so einen Knoten zu lösen. Wenn es zu einer Sitzung kommt! Denn dafür braucht es eine Entscheidung – und die kann die Person in dieser Lage gerade nicht treffen ...

Papa meint es gut

Die meisten Menschen haben vergessen, wie es war, ein Kind zu sein. Dichter und Musiker haben meist noch Zugang zu ihren Kinderseelen – Controller, Ingenieure, Juristen, BWler und Ärzte eher selten.

Der gut situierte Vater, den ich mit seinem Sohn erlebte, gehört ziemlich sicher zu einer dieser Berufsgruppen. Kleidung, Habitus und Gattin (schlank, blond, sportlich) zeigten das an. 

Wir sind auf einer Hotel- und Restaurant-Terrasse hoch über dem Tegernsee mit Postkartenblick auf den See und die Berge. Vor allem den Touristen aus den Regionen nördlich des Limes entlockt der Ausblick Ausrufe des Entzückens„Schau mal, Manfred! Ist das nicht herrlich!?“ –, während die Münchner routiniert den See und die Berge als eine Verlängerung ihrer Stadtwohnung abhaken und lieber auf ihr Smartphone schauen, schließlich ist man wichtig.

Und die besonders Gebildeten fragen mit Kennermiene: „Sieht man von hier das Haus von Manuel Neuer?“ Tut man nicht, denn das ist links ums Eck, zum Leidwesen der alteingesessenen Nachbarn dort ...

Besagter Vater betritt mit seinem dreijährigen Sohn die Terrasse und haut ihm ein „Schau mal, Moritz, der See und die Berge!“ um die Ohren. Vaters Blick in die Ferne ist völlig entgangen, daß der kleine Moritz anderweitig beschäftigt ist. Er hat ein glitzerndes Steinchen entdeckt, das er in die Hand nimmt und dem Papa stolz hinhält, damit der sieht, was er, Moritz, Tolles gefunden hat.

Doch Papa nimmt seinen Sohn nicht wahr, zumindest nicht als eigenen Menschen mit eigener Sicht auf die Welt. Er wiederholt sein „Schau mal, Moritz, der See und die Berge!“. Schließlich ist man von weiterher gekommen, um diesen See und diese Berge zu sehen. Das ist Moritz egal. Er will, daß Papa seinen sensationellen Schatzfund wahrnimmt und anerkennt. Ein glitzernder Stein

Doch Papa verliert jetzt die Geduld. Der Sohn soll den Ausblick vom 5-Sterne-Hotel endlich gebührend würdigen. Also reißt er den Jungen hoch, um ihm un-miß-ver-ständ-lich die schöne Aussicht aufzuwingen. Dem Kind fällt sein Schatz, das faszinierende Steinchen, aus der Hand.

Moritz fängt zu weinen an und versucht, sich aus Papas Klammergriff zu befreien. Er weint lauter. Und noch lauter. Nun schauen die Leute. Das ärgert Papa noch mehr ...

Auftritt Mama. Sie greift sich ihren Sohn und entreißt ihn dem Vater mit einem beherzten „Laß ihn!“. An ihrer Brust, also in ihrem Herzkohärenzfeld, wo es für das Kind fast so schön ist wie damals in ihrem Bauch, beruhigt Moritz sich langsam.

Papa stiert verärgert und trotzig weiterhin auf See und Berge. Der Familien-Nachmittag am schönen See ist ruiniert.

Einem drei Jahre alten Jungen ist es egal, ob er Blick aufs Matterhorn, den Fujiyama oder den Mount Everest hat. Was zählt, ist das, was er greifen kann, weil er es begreifen will. So war Papa auch mal. Doch er hat es längst vergessen. Vor lauter Excel-Tabellen, Meetings und agilen Projekten ...

Nieder mit dem Ego!

Neben Maxim Mankevich (hier meine Genie-Glosse zu ihm) ist Dieter Lange mein Lieblings-Dampfplauderer unter den Trainern, Coaches und Speakern. Kurzlich hab’ ich ihn mir wieder mal angetan – ein masochistischer Abend. Manchmal brauch ich das. So, wie ich manchmal eine ganze Groß-Packung Eis auf einmal esse – wohl wissend, daß mir hinterher schlecht ist ...

Dieter Lange ist der Thermomix der Szene: Er quirlt alles ineinander, was er zu greifen bekommt: Etymologie, Zen, Bindesstrich-Bedeutungs-Huberei, Heidegger, Shakespeare, Goethe, Schiller, Buddha und massenhaft Volkshochschul-Philosophismen, bei denen man merkt, daß er nur die Wikipedia-Verstümmelungen kennt, aber nicht die Werke selbst, die er wichtigtuerisch zitiert.

Zudem sieht Lange aus wie ein Schlagersänger von 1985, den man eingefroren hat. Ich staune immer wieder, daß es noch Friseure gibt, die diese Vokuhila-Variante (hier zu sehen) schneiden können ... 

Im Selbst-Marketing lies sich das so: „Dieter Lange ist ein anerkannter Experte in den Bereichen Persönlichkeitsentwicklung und Leadership. Mit seiner umfangreichen Erfahrung inspiriert er Menschen, ihre Grenzen zu erweitern und ihre Ziele durch effektive Strategien und tiefgreifende Einsichten zu erreichen“.

Ein Hauptanliegen Langes ist es, auf unser ach so böses Ego einzuprügeln. Lange hilft uns mit seinen Kursen und Workshops dabei, unseren „Ego-Trip“ zu besiegen. Das schafft er zum Beispiel mit Botschaften wie diesen, die er nebenbei einfließen läßt und die natürlich vollkommen Ego-frei sind:

  • „Ich arbeite NATÜRLICH mit Dax-Vorständen.“
    Was ist daran „natürlich“? Wieso ist Lange so stolz darauf?
  • „Ich arbeite NATÜRLICH mit Spitzensportler, Weltmeistern und Olympiasiegern.“
    Was ist daran „natürlich“? Wieso ist Lange so stolz darauf?

Dieter Lange will alles zugleich: Die Ego-Kultur abwerten, obwohl er immer wieder behauptet, prinzipiell nicht zu werten, denn werten sei voll Ego –, und zugleich will er daran verdienen und sich damit brüsten und schmücken, daß er die Top-Alpha-Krüppel dieser Lebensweise coacht und zu noch mehr Leistung bringt.

Das Schlimmste: Er ist kein Zyniker – das hätte immerhin einen reizvoll perversen Charme –, nein: er glaubt wirklich, was er verkündet. – Herr, wirf Hirn ra, sagt man im Schwäbischen zu solchen Phänomenen.

Heilsame Schönheit: Bäume

„Ich verstehe nicht, wie man an einem Baum vorübergehen kann und nicht beglückt sein, daß man ihn sieht?“, sagte Dostojewski. So geht’s mir auch. Deshalb zeige ich Ihnen hier besonders beglückende Bäume, an denen ich vorübergegangen bin. 

Bergahorn

Auf der Alpennordseite sind Lärchen selten. Um so mehr freue ich mich, wenn ich einer begegne. Umschmeichelt dann noch ein weißblauer Himmel wie aus einem Oberbayern-Bilderbuch die lichten Zweige, ist mein Baum-Glück vollkommen.
Im Garten des Gasthofs Rote Wand“ bei Bayrischzell

K.k.K.Kommentare kluger Kinesiologen

„Touch for Health ist ein praktischer Leitfaden für eine natürliche Gesundheit. Die Methode kombiniert das chinesische Modell des Ausgleichs der Lebensenergie im Körper mit Kinesiologietechniken, um körperliche und geistige Schmerzen zu lindern und Wohlbefinden zu fördern."
John Thie

Lesefrucht: Die Freuden alter weißer Männer

Ich gehöre zu der derzeit aussterbenden Gattung Mensch, die noch Literatur liest. Also nicht „Frauen-Literatur“ – ich kannte mal eine Autorin solcher Bücher, die nur verächtlich über das gesprochen hat, womit sie ihren Lebensunterhalt verdiente – oder „Fantasy“ oder „Krimis“, sondern richtige Literatur.

Meine Lehrer haben es nicht geschafft, mir die Liebe zur Literatur und zur Sprache auszutreiben, wiewohl sie sich alle Mühe gegeben haben. Zum Beispiel mit ihren kleinkarierten Gedicht-Interpretationen voller schematischer Symboldeutungen, die alles Mögliche bewirkten, mir aber keinen Zugang ins Gedicht eröffneten.

Mit anderen Worten: Ich lese freiwillig und mit dem größten Vergnügen Goethe und Shakespeare, Flaubert, Melville und Homer (Odysseus!). Von Jugend an bis heute.

Am liebsten lese ich Werke von toten weißen Männern, also die Bücher, die derzeit „umgeschrieben“, mithin „korrektisiert“ und wohl bald ganz verboten werden. Zum Beispiel Joseph Conrads „The Nigger of the Narcissus“ – früher auf deutsch „Der Nigger von der Narzissus“ (so steht’s in meinem Bücherregal in einer Ausgabe von 1999), heute kastriert zu „Der Niemand von der Narzissus“ (als hätte Conrad nicht „nobody“ schreiben können, wenn er „nobody“ gewollt hätte!).

Ziel dieser Literatur-Säuberungen ist es, daß auch Geschlechts-variable Klimakleber und dergleichen*innen nicht abgeschreckt werden. Der Haken daran: *innen lesen nicht. Wer die Welt rettet, hat keine Zeit zum Lesen.

Sei’s drum: Wenn die letzten Weltretter mitsamt ihren Sternchen längst vermodert sind und das Klima immer noch einfach ist, was es ist wie seit Jahrmillionen („annehmen, was ist“ lehren alle Weisen ...), werden Homer, Shakespeare und Goethe immer noch Fixsterne der Menschheitsgeschichte sein – da beißt die KI keinen Faden ab.

Jede Zeile Goethe oder Homer ist mehr wert, als alles, was Regierungen oder NGO in den letzten 10.000 Jahren abgesondert haben. Was sind Dummheit und Ideologie gegen Schönheit und Wahrheit!? 

Damit komm ich zum Wesentlichen, dem Gedicht für diese Ausgabe meines Newsletters – aus dem zwei geworden sind, weil ich mich nicht entscheiden konnte. Beide Gedichte sind von weißen Männern, beide preisen den Wald (das ist – noch – erlaubt!), und beide legen Zeugnis davon ab, wie es ist, die Welt unmittelbar und nicht medial vermittelt wahrzunehmen, was die Voraussetzung für persönliches Wachstum ist.

Hier die Verse der Dichter:

Theodor Storm: Ein grünes Blatt

Ein Blatt aus sommerlichen Tagen,
Ich nahm es so im Wandern mit,
Auf daß es einst mir möge sagen,
Wie laut die Nachtigall geschlagen,
Wie grün der Wald, den ich durchschritt.

Paul Heyse: Waldesnacht

Waldesnacht, du wunderkühle,
Die ich tausend Male grüß',
Nach dem lauten Weltgewühle,
O, wie ist dein Rauschen süß!
Träumerisch die müden Glieder
Berg' ich weich ins Moos,
Und mir ist, als würd' ich wieder
All der irren Qualen los.

Fernes Flötenlied vertöne,
Das ein weites Sehnen rührt,
Die Gedanken in die Schöne,
Ach! mißgönnte Ferne führt.
Laß die Waldesnacht mich wiegen,
Stillen jede Pein!
Und ein seeliges Genügen
Saug' ich mit den Düften ein

In den heimlich engen Kreisen
Wird dir wohl, du wildes Herz,
Und ein Friede schwebt mit leisen
Flügelschlägen niederwärts.
Singet, holde Vogellieder,
Mich in Schlummer sacht!
Irre Qualen, löst euch wieder,
Wildes Herz, nun gute Nacht!

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