Wenn ich mir den idealen Klienten malen müßte, dann wäre es Frau Y. Sie kam im Juli 2022 mit dem Thema Kinderwunsch zu mir – am 21. Mai, also rund zwei Jahre später, ist der Geburtstermin ihres Kindes. Warum ist sie der ideale Klient? Weil sie tut, was ich ihr sage? Von wegen! Weil sie ihren Weg geht.
Das ist der Sinn meiner Arbeit: Menschen zu ermöglichen, die zu werden, die sie wirklich sind; jenseits all der falschen Selbste, die sie sich angeignet haben oder die ihnen – immer gut gemeint! – angeeignet wurden. Sind wir nicht wir selbst, werden wir krank: körperlich, emotional, geistig.
Meine Kinesiologie-Lehrerin Rosmarie Sonderegger vom IKAMED in Zürich (ich zitiere sie heute auch weiter unten bei „Kommentare kluger Kinesiologen“) sagte immer: „Jeder hat die Klienten, die er verdient“. Da kann ich nur sagen: Ich bin gesegnet!
Mit Klienten, die mich überraschen und erfreuen, entzücken und verblüffen, mal verwirren (auch das gehört dazu), mir viel beibringen und die mich ständig wachsen lassen. Jede Sitzung ist ein Abenteuer für mich, denn ich weiß nie, was geschieht.
Ich werfe Steine ins Wasser. Was die Klienten mit den Wellen machen, ist ihre Sache. Sie können darauf surfen, sie umleiten, darin schwimmen, eine Gummiente draufsetzen, darunter hindurchtauchen, sie trinken, damit die Blumen gießen ... Der Möglichkeiten gibt es viele. Der Klient entscheidet – es ist sein Leben, nicht meines.
Ich bin kein Trainer, kein Berater, kein Ratgeber. Denn dann würde ich dem Klienten jeweils meine Lösung, meinen Weg empfehlen. Doch das bringt ihm nichts, da er anders ist als ich. Was bei mir funktioniert, führt bei ihm evtl. ins Chaos – und umgekehrt.
Immer mal wieder denke ich mir in einer Sitzung: „Bin ich froh, daß ich das Problem dieses Klienten nicht habe!“, weil ich keine Ahnung habe, wie ich damit umgehen sollte. Und dann erschafft der Klient eine Lösung für sich, die mir nie in den Sinn gekommen wäre ...
Deshalb an alle Klienten, die hier mitlesen: Danke, daß es Sie gibt!
Zurück zu Frau Y. Was ist geschehen zwischen Juli 2022, als sie 39 Jahre alt war, und jetzt? Frau Y. hat sich selbst neu geboren. Sie wurde dabei ihr eigener Vater und ihre eigene Mutter. Das ist persönliches Wachstum von feinsten. Ich hab' sie als Hebamme begleitet.
Davor wurde Frau Y. einige Jahre durch die Mühlen der Reproduktionsmedizin gedreht. Immer, wenn die künstlich befruchtete und dann transferierte Eizelle sich nicht eingenistet hatte, fiel Frau Y. in ein tiefes Loch. Jedesmal tiefer. Der Streß stieg von Mal zu Mal.
Wenn ihr dann noch ihre Kinderwunsch-Ärztin feinfühlig um die Ohren knallte: „Ihre Eizellen taugen nichts!“, war sie verzweifelt und glaubte, alle Hoffnung auf ein Kind fahren lassen zu müssen. Nach so einer frohen Botschaft haben wir nur am Selbstwert gearbeitet.
Frau Y. ist eine beruflich erfolgreiche Akademikerin und verfolgte parallel zum Kinderwunsch Promotionspläne. Auch hier also ein hohes Streßniveau. Das mögen Kinder, die entstehen sollen, gar nicht.
Kurz vor Weihnachten 2022 gab es einen neuen Transfer, die Feiertage waren geprägt vom nervenaufreibenden Wechselbad aus Hoffen und Bangen. Anfang Januar 2023 dann die niederschmetternde Nachricht: wieder nichts!
Nun hatte Frau Y. die Nase voll. Sie machte Pause. Pause von all dem Muß und Druck und Zwang und Streß. Ließ die Promotion Promotion sein, machte keine Hormonbehandlungen mehr, keine künstlichen Befruchtungen.
Statt dessen lebte sie! Das war die Wende vom Machen zum Geschehen lassen. Nun griff das Motto meiner Kinderwunsch-Praxis: „Machen Sie Ihr Kind nicht – lassen Sie es werden.“
Es dauert, bis die Wahrheit dieses einfachen Satzes einen Menschen wirklich durchdringt – nicht kognitiv, sondern bis in die letzte Körperzelle. Erst dann entfaltet er seine Wirkung.
Im August 2023 dann das „Wunder“. Frau Y., die Frau mit den „Eizellen, die nichts taugen“, wurde im Urlaub auf natürlichem Wege schwanger. Mit altmodischem schönen Sex. Ganz entspannt und voller Lebensfreude. Unter solchen Umständen möchte ein Kind entstehen ...
Vor ein paar Tagen war Frau Y. bei mir – auf der Zielgeraden zur Geburt gab es noch ein Thema, das sie anschauen wollte, – und sie leuchtete wie die Sonne selbst. Nach all den Jahren der Mühen und der Qual ist sie nun einfach schwanger – was ihr und ihrem Mann immer noch „surreal“ erscheint – und trägt ihren Babybauch stolz vor sich her. Es ist ein Genuß, sie zu erleben: ihr Strahlen, ihre Kraft und vor allem ihren Ausdruck von selbstverständlicher Lebensfreude.
Frau Y. ist in der Zeit, in der wir gemeinsam gearbeitet haben, mit bewundernswertem Mut in die tiefsten und finstersten Schluchten ihres Leben gestiegen und ist dort so manchem kalten Ungeheuer begegnet. Und sie hat die Drachen besiegt.
Mit Konsequenz und Ausdauer durchschritt sie die Labyrinthe all der Irrungen und Wirrungen ihrer Familiengeschichte, bis sie den Ausgang ins Licht gefunden hat, so daß ihr Kind nun dank dem Mut seiner Mutter nur ein kleines leichtes Rucksäcklein mit transgenerationalem Familienstreß zu tragen hat. A bissl was ist immer, das ist das Leben ...
Die Folge: Eine ganz und gar komplikationsfreie Schwangerschaft. Weil Frau Y. das erste Kinderzimmer ihres Kindes – ihren Leib und ihre Seele – aufgeräumt und gut gelüftet hat. Ihr persönliches Wachstum hat den Weg dafür bereitet, daß ein Kind in ihr wachsen konnte.
Ende Mai wird sie ihr Kind in den Armen halten. Sie weiß bis heute nicht, ob es ein Bub oder ein Mädel ist, weil sie sich überraschen lassen will. Auch das ein Zeichen großer Reife, denn sie vertraut ihrem Kind, sie läßt es das werden, was es sein will.
Danke Frau Y., Sie haben mich reich beschenkt! |