Die Frage „Was ist Liebe?“ zu beantworten ist das Wichtigste, was wir im Leben zu tun haben. Wir können diese Antwort nicht nicht geben, denn wir leben die Antwort immer, auch die nicht ausdrücklich gegebene.
„Liebe“ ist ein Elementarwort. Also eines der für unser Leben essentiellen Wörter, mit denen wir benennen, was wirklich wichtig ist: Wasser, Leben, Tod, Kind, Mann, Frau, Sonne, Mond, Welt, Neid, Trauer, Wut, Freude. Mehr als zwei Silben brauchen wir für Wichtiges nicht.
Woran erkennen wir Unsinn und Unwichtiges? Schon an der Silbenzahl. Drei Beispiele dafür: „Bundesklimaschutzgesetz“, „Gleichstellungsbeauftragte“, „Grundstücksentwässerungsanlage“. Solche Wörter schwächen uns energetisch, sind also verbale Herrschaftsausübungsinstrumente (auch dieses Wort-Monstrum schwächt, das hab’ ich schon beim Tippen gemerkt!).
Wo die Mehrsilber dominieren, werden Menschen als Objekte behandelt; werden betreut und belehrt, behandelt und bespaßt, beschützt und belogen.
Bevor wir zur Liebe kommen, schauen wir kurz auf den Fußball. Wer die Frage „Was ist Fußball?“ beantwortet mit „Die Spiele der Champions League“, der erfaßt nur einen winzigen Ausschnitt, denn die paar CL-Spiele sind nichts verglichen mit den Millionen Menschen, die jeden Tag mit Freude Fußball spielen.
In der Liebe ist’s ähnlich: Wenn wir nur auf Romeo und Julia, Werther und Lotte, „Casablanca“ oder „Pretty Woman“ schauen, verpassen wir das Wichtigste. Das, was jeden Tag stattfinden kann – wenn wir es stattfinden lassen.
Liebe ist nicht nur der romantische Extrem-Zustand zwischen zwei Menschen, die sich sehr nahestehen. Sie ist auch, wenn nicht gar vor allem, die Erfahrung der emotionalen Verbundenheit und positiven Resonanz mit fremden Menschen, auch wenn dieser Zustand oft nur kurze Momente andauert.
Diese Resonanz-Momente sind für unsere emotionale, geistige und körperliche Gesundheit enorm wichtig. Wir sollten sie hegen und pflegen, als hinge unser Leben davon ab, denn es hängt davon ab, wenn es mehr sein soll als ein Dahinvegetieren. Deshalb ist jegliche Form der Quarantäne und Isolation – aus welchem Grund auch immer! – zutiefst grausam, brutal und menschenverachtend.
Ich schildere Ihnen drei meiner Liebesbegegnungen in Mikro-Resonanz aus den letzten Tagen, damit deutlich wird, was ich meine:
Auf dem Weg zu meiner Praxis kommt mir eine Mutter mit ihrem Sohn entgegen, der der Mama auf seinem Laufrad vorauseilt. Aus jeder Pore dringt ihm die überschäumende Freude an seiner neu erworbenen Fähigkeit. Das auch nur wahrzunehmen ist schon ein Akt der Liebe und tut gut. Doch ich gehe noch weiter und sage anerkennend zu dem Jungen: „Du bist ja flott unterwegs!“
Der Kleine grinst mich triumphierend an. Die Mutter lächelt mir zu und platzt fast vor Stolz auf ihren Sohn. Und ich? Mir ist es an der Kreuzung 50 Meter weiter egal, daß ein Radfahrer mich fast ummäht (das ist in München Normalzustand). Ich zeige ihm nicht den Mittelfinger und schimpfe ihm nicht hinterher, sondern weiche geschmeidig aus. Die paar Sekunden emotionaler Verbundenheit wirken weiter ...
Zweite Szene: Ich sitze in einem Münchner Ausflugslokal in der Frühjahrssonne mit einer Portion Apfel-Palatschinken und einem Milchkaffee. Zwischen den Tischen stolziert ein prächtiger Hahn umher. Ich kenne ihn schon, da ich öfter hier bin; er gehört zum Haus.
Ich könnte den Hahn und das Aufsehen, das er bei den Gästen erzeugt, also ignorieren. Statt dessen lächle ich die beiden alten Damen am Nebentisch an, die wohl zum ersten Mal hier sind, weil sie so frisch erfreut über den Hahn reden, und sage zu Ihnen: „Was für ein prächtiger Bursche!“. Sie nicken strahlend. Das reicht schon. Kurzer Blickkontakt, ein Lächeln, fünf Wörter. Mehr hat zwischen uns nicht stattgefunden. Und doch war es unendlich viel.
Drittes Beispiel: Im Fahrstuhl in meinem Haus. Eine junge Frau steigt ein, sie trägt ein großes Netz voller Zwiebeln. Ich habe sie noch nie zuvor gesehen. Ich könnte die typische Fahrstuhlfahrer-Haltung einnehmen und stumm auf den Boden starren. Dann geschähe nichts.
Statt dessen sage ich zu ihr: „Bei Ihnen gibt’s heute wohl Zwiebelkuchen.“ Sie lacht und antwortet: „Ja, könnte man meinen. Aber nein, Zwiebeln kann man immer gebrauchen, und die gab’s heute bei Edeka im Sonderangebot“. Das war’s, denn ich bin in meinem Stockwerk und steige aus. Auch hier: „Eigentlich“ ist nichts geschehen, und doch hat sich alles verändert.
Irgendwelche hochtechnisierten Menschen-Vermesser könnten bestimmt erfassen, was sich bei so einer Begegnung in einem Menschen verändert: Puls, Hormone, Neurotransmitter, Hautwiderstand, Muskeltonus usw. usf. Diese Meßwerte brauche ich aber nicht, weil ich mit absoluter Gewißheit spüre, daß es mir gut tut – und daß es den anderen Menschen auch gut tut.
Keines dieser drei geschilderten Erlebnisse war weltbewegend. Zum Glück. Denn das „Weltbewegende“ besteht aus Kriegen, Katastrophen und Staatsaktionen. Dafür sind die Historiker zuständig. Mein schwäbischer Landsmann, der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel, hat es auf den Punkt gebracht: „Die glücklichen Zeiten sind leere Seiten im Buch der Geschichte“. Und im alten China gab es den Fluch „Mögest Du in aufregenden Zeiten leben!“
Wir leben in aufregenden Zeiten. Um so wichtiger sind diese Momente der Verbundenheit. Wenn wir uns jeden Tag zwei oder drei solche Begegnungen schenken, wirkt der Dalai Lama verglichen mit uns wie ein Miesepeter. Wohlgemerkt: WIR schenken sie uns! Unser Alltag ist voller Gelegenheiten dafür. Sie zu nutzen liegt an uns. Nur an uns.
Doch meist versäumen wir die Gelegenheiten, weil wir sogar beim Gehen zur U-Bahn auf unser Smartphone glotzen und verzückte Buben auf Laufrädern gar nicht wahrnehmen. Und in der Bahn sitzen sowieso nur Handy-Kopfhörer-Zombies, die nicht einmal kurz aufschauen würden, wenn man den neben ihnen Sitzenden mit einem Tranchiermesser zerstückelte.
Ganz wichtig: Die Mikro-Resonanz funktioniert weder per Telefon noch per Zoom! Diese Liebes-Begegnung überlebt eine elektronische Vermittlung nicht. Das, worum es geht, ist technisch nicht übertragbar.
Nutzen Sie also die Gelegenheiten für solche Liebes-Begegnungen im Alltag, solange die KI noch nicht übernommen hat und Ihnen vorgibt, wem sie wann ein Lächeln schenken müssen, damit Ihr Sozialkreditpunkte-Konto nicht ins Minus rutscht. Dann ist es vorbei mit persönlichem Wachstum – und mit der Liebe sowieso ... |